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Künstler: | Thomas Baumgärtel | Titel: | Alex | Technik: | Spraylack auf Holz | Jahr: | 2019 | Größe: | 225.00x39.00 | Preis: | 12.900,00 € |
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Thomas Baumgärtel - Berlin und der Rest der Welt
Thomas Baumgärtel - Berlin und der Rest der Welt
In
Stadtlandschaften haben Künstler viele Jahrhunderte lang dem
Lebensgefühl ihrer Generation Ausdruck gegeben, dadurch haben
diese Kunstwerke bis heute für uns einen besonderen Reiz. Vor
hundert Jahren erklärt Marcel Proust die "Ansicht von
Delft" zum schönsten Gemälde der Welt. Proust
beurteilt ein kleines gelbes Wandstück auf dem 38 x 24 cm
großen, 1660 entstandenen Jan Vermeer als so schön,
wie
ein chinesisches Kunstwerk gemalt. Einen besseren Fürsprecher
hätte sich das Delfter Museum nicht erhoffen können,
denn nun setzt eine wahre Wallfahrtsbewegung nach Delft ein, um
dieses wunderbare Gelb von sich selbst genügender Schönheit
zu sehen. Proust ist ein moderner Denker, mit einem Kunstgriff bringt
er ein dreihundertfünzig Jahre altes Bild ins Bewußtsein
seiner Zeitgenossen, indem er an ihm die ganz besondere Hingabe des
Künstlers preist. An seiner Beschreibung zeigt sich,
welche zeitgenössische Gedanken er in das alte Kunstwerk
setzt: Der Zeitgedanke der Relativitätstheorie, Möglichkeiten,
abstrakte Gedanken in ein gegenständliches Bild zu bringen, das
psychologische Sujet: Hingabe des Künstlers. Der gebildete
Proust beschreibt,wie komplex das Denken geworden ist und ist vom
Ergebnis selbst so begeistert, dass er ein Bild zum schönsten
Kunstwerk der Welt erklärt.
Wieder hundert Jahre
später hat sich die rasante wissenschaftliche Entwicklung
beschleunigt, die Möglichkeiten der Information sind unendlich
groß, die Reiselust noch größer und zeitgenösssiche
Künstler haben ihre Freude daran, die sich schnell verändernde
Welt festzuhalten, ehe sich alles wieder ändert. Um der
Schnelligkeit und Bewegung Ausdruck zu geben, nutzt Baumgärtel
Sprayfarben auf Oberflächen, die die Beschleunigung bereits
hinter sich haben. Auf ausgedienten Metallblechen, auf sorgfältig
von Wänden abgelösten Plakaten , die über Jahre
übereinandergeklebt nun ein papiermachéartiges
Trägermaterial ergeben. Auch die ganz normale Leinwand fehlt
nicht: zeitgenössische Kunst ist doch nicht so subversiv,
wie es das Sprayen vermuten läßt.
Es geht um
subtiles Denken. Wenn z.B. eine Stadtansicht vom Tempelhofer
Flughafen mit dem Luftbrückendenkmal im Vordergrund und blauem
Himmel im Hintergrund entsteht, 62 x 62 xm groß, ist das
paradox genug. Der erste Eindruck ist kraftvoll, eindrucksvoll betont
durch die Diagonale des Luftbrückendenkmals. Man ist an die
Pionierzeit der Luftfahrt erinnert, an die Gründung der
deutschen Luft Hansa AG 1926, aber die Gedanken verdüstern sich
angesichts faschistischer Architektur und der Rolle, die die
Luftfahrt im Naziregime inne hatte. Dass die Blockade Berlins
ebenfalls an diesem Ort besiegt wurde, steht symbolhaft für
die Wiederaufnahme der Deutschen in die universelle
Wertegemeinschaft. Gedanklich bietet das kleine Wunderwerk also
reichlich Material zum Studium an, auch die Stimmung im Bild verführt
zum genauen Hinsehen: angesichts der Dramen, die sich im und um das
Gebäude herum abgespielt haben, wirkt das Kunstwerk friedlich,
der blaue Himmel im Hintergrund läßt die dunklen Wolken
der Vergangenheit in Vergessenheit geraten. Übrig bleibt
ein Ort der Geschichte, ein Beispiel, das zum Studium einlädt
und mit fließenden Konturen viel Bewegungsspielraum bietet, um
sich ein Bild zu machen, darin nicht unähnlich den Monetschen
Studien von Bauwerken wie z.B. der Kathedrale von Rouen.
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